Kolumne

Wie ein antiker Sarkophag aus Kleinasien ins kroatische Pula kam

Das an der Südspitze von Istrien gelegene Pula ist ein beliebtes Reiseziel in Kroatien und hat auch einige bedeutende Sehenswürdigkeiten aus der Antike zu bieten. Die Römer haben das Gebiet von den einheimischen Histriern im Jahr 177 v. Chr. erobert und gründeten einige Zeit später die Stadt Pula unter dem Namen Colonia Pietas Iulia Pola. Bestens erhaltene Zeugnisse dieses römischen Erbes sind der Sergierbogen, der Tempel der Göttin Roma und des Augustus sowie das Amphitheater.

Die Nekropolen von Pula

Wie in allen römischen Städten üblich, wurden die Toten außerhalb bestattet. So reihten sich Gräber unterschiedlichen Typs entlang den Ausfallstraßen aneinander. Wie sehr diese Grabanlagen auch später noch die Landschaft von Pula prägten, verdeutlicht der berühmte italienische Dichter Dante Alighieri um 1300 in seiner „Göttlichen Komödie“, indem er ihre Vielzahl hervorhebt. Seit dem 19. Jahrhundert hat man auch immer wieder Teile der Nekropolen entdeckt, und einige Gräber finden sich heute noch im Stadtgebiet.

Der Sarkophag im Park grada Graza

Mitten im Stadtzentrum ist ein Park gelegen, der mit dem Namen des österreichischen Graz, der Schwesterstadt von Pula, verbunden ist. Er bildet eine Ruhezone, auf deren Grünflächen einige antike Steindenkmäler aufgestellt sind. Unter ihnen befindet sich auch ein vollständiger Sarkophag aus Kalkstein. Auf seinem Kasten zeigt er an den Ecken Pilaster, und auf der Hauptseite ist ein gerahmtes Inschriftenfeld zu sehen, eine so genannte tabula ansata. Der Deckel besitzt die Form eines Satteldaches, das an beiden Enden des Firstes und an den Ecken mit auffälligen architektonischen Zierelementen geschmückt ist, die als Akrotere bezeichnet werden.

Der Grabherr des Sarkophags und seine Herkunft

Es liegt nahe, den Sarkophag als Überbleibsel der Nekropolen von Pula zu betrachten. Wer allerdings die griechische Inschrift auf der tabula ansata entziffern kann, wird eines Besseren belehrt. So gehörte der Sarkophag einem Aurelius Pardalas, der ihn im 3. Jh. n. Chr. für sich selbst und seine Familie als Grab aufstellen ließ. Pardalas war jedoch kein Bürger von Pula, sondern stammte aus Myra, also einer ganz anderen Stadt des römischen Reiches. Dieses Myra liegt in Kleinasien im Südwesten der heutigen Türkei und ist in späterer Zeit vor allem durch den Heiligen Nikolaus bekannt, der dort Bischof war. Wie aber kam der Sarkophag des Pardalas nach Pula?

sarkophag des aurelius pardalas aus myra in pula - Wie ein antiker Sarkophag aus Kleinasien ins kroatische Pula kam

Abb. Der Sarkophag des Aurelius Pardalas aus Myra in Pula (© O. Hülden)

Eine Schiffsreise unter österreichischer Flagge

Im 19. Jahrhundert führten österreichische Gelehrte mehrere Forschungsreisen nach Kleinasien und insbesondere nach Lykien durch. Eine bedeutende Entdeckung stellte dort das Heroon von Trysa dar, ein herrschaftlicher Grabbau, der ganz in der Nähe von Myra entdeckt wurde. Seine Reliefs transportierte man 1884 mit osmanischer Erlaubnis nach Wien. Dabei wurde auch der Sarkophag des Pardalas im Hafen von Myra mit an Bord eines Transportschiffes genommen. Ziel der Seereise war Pula, das damals zu Österreich gehörte und dessen Kriegshafen am Mittelmeer bildete. Während die Trysa-Reliefs weiter auf dem Landweg nach Wien gebracht wurden, verblieb der Sarkophag in Pula und fand dort weit entfernt von seinem ursprünglichen Aufstellungsort seine neue Heimat.

Urhebender Autor: Dr. Oliver Hülden

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