Medizin

Geheimwaffe Gegengift – Wirkung und Gefahren

Bei Vergiftungen muss es schnell gehen. Ideal ist der Einsatz eines Gegengifts, doch wie verhält sich der Laie bei der Erste-Hilfe-Leistung richtig?

Wenn ein Freund oder Familienmitglied etwas Giftiges heruntergeschluckt hat, soll man dieser Person dann den Finger in den Hals stecken und sie zum Erbrechen bringen? Die klare Antwort lautet: „Kommt darauf an.“ Es ist möglich, wenn der Vergiftete bei Bewusstsein ist. Aber Achtung! Immer ein wenig von der Wangenschleimhaut des Patienten zwischen seine Zähne schieben. Beim Zubeißversuch lässt er dann locker. Ansonsten ist ihr eigener Finger in Gefahr. Bei Bewusstlosen mit Puls und Atmung ist das anders. Sie werden bis zum Eintreffen der Rettungskräfte in die stabile Seitenlage gebracht. Das verhindert die Aspiration von Mageninhalt. Kinder, die Spülmittel getrunken haben dürfen auf keinen Fall erbrechen, weil sie an der Schaumbildung sonst ersticken könnten.

Antidota – die Welt der Gegengifte

Für Betäubungsmittel finden sich im Notfallkoffer Gegengifte, und wie toll die wirken habe ich selbst schon erlebt. Eigentlich sollte der Arzt ja Fauxpas für sich behalten, aber es sind die besten Lernbeispiele. Wie bereits erwähnt muss es ja schnell gehen, und so kam uns in einem ländlichen Gebiet der Rettungswagen samt 28-jähriger Patientin mit Schlafmittelvergiftung auf der Bundesstraße entgegen. Uns, das waren die diensthabende Anästhesistin und ich, die Assistenzärztin in Notarztausbildung. Während die Diensthabende noch die Übergabe mit dem Rettungsassistenten zu Ende brachte, zog ich schonmal eine Ampulle Flumazenil auf. Dann setzte ich beherzt am Venenzugang an und drückte die ganze Ampulle im Schuss in die Patientin hinein. Fertig. Es dauerte eine Minute, da riss die Frau die Augen auf, war blitzwach und geriet in Panik. Manchmal muss es eben auch langsam gehen, selbst wenn es schnell gehen muss.

Die Faktenlage

Versehentliche Vergiftungsunfälle, vor allem bei Kindern, verursachen mit 67 Prozent den größten Teil der Vergiftungen. Mit 20 Prozent stehen Selbsttötungen an zweiter Stelle. An dritter Stelle steht der Missbrauch von bewusstseinsverändernden Substanzen. Im Rettungsdienst machen Vergiftungen 5 — 10 Prozent aller Notarzteinsätze aus, wobei die Anzahl steigend ist. Erste Priorität haben immer lebensrettende Sofortmaßnahmen, wie die Sicherstellung der Atmung und die Herzdruckmassage. Wurde ein Medikamentencocktail eingenommen, kommt die Magenspülung in Betracht. Für diese Maßnahme muss der Patient aber zuerst die Intensivstation des Krankenhauses erreichen.

Vorbeugen ist besser als Handeln

Kindersicherungen für alle Türen hinter denen sich Putzmittel befinden sind ein absolutes Muss in Ihrem Haushalt. Mir persönlich sind die oberen Aufbewahrungsfächer in Schränken noch lieber. Für den Notfall brauchen Sie die Telefonnummer der Vergiftungszentrale Berlin: 030 192 40. Hier werden Sie gut beraten. Die Nummer könnten Sie jetzt sofort in Ihr Mobiltelefon einspeichern, das erspart Ihnen im Notfall das Suchen. Und wenn es schnell gehen muss: Für die Anforderung des Rettungsdienstes wählen sie die bundesweit gültige Notrufnummer 112.

1 Springer Link: https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-014-1965-9 (aufgerufen am 01.04.2022)

2 Springer Medizin, Link: https://www.springermedizin.de/emedpedia/dgim-innere-medizin/notfall-vergiftung-differenzialdiagnose-und-erstbehandlung?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-54676-1_430 (aufgerufen am 01.04.2022)

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