Erotisches Kopfkino im Narkoseschlaf?
Propofol scheint ein Medikament zu sein, über welches die Presse gerne mal skandalös berichtet. Rheinische Post: Das Narkosemittel, das erotische Träume macht. Deutsches Ärzteblatt: Staatsanwaltliche Ermittlungen nach Propofol-Narkosen: Unerwünschte „Nebenwirkungen“. n-TV: Propofol: Jackson starb an Überdosis.
Narkosemittel im Vergleich
Erotik oder Mystik? Entscheiden Sie selbst. Die drei Basismedikamente, welche ein Anästhesist für die Vollnarkose braucht, sind: ein Schlafmittel, ein Schmerzmittel und ein Muskelrelaxans. Als Schlafmittel können Narkosegase oder eine TIVA (Total Intra Venöse Anästhesie) verwendet werden. Propofol ist das weltweit am häufigsten verwendete Narkosemittel. Es wird über die Vene infundiert (TIVA). Doch kann sich der Patient wirklich auf erotische Träume freuen? Als Nebenwirkung finden diese im Beipackzettel der Firma ratiopharm keine Erwähnung. Anders sieht das bei dem häufig im Rettungsdienst verwendeten Narkotikum Ketanest S aus. Es verursacht nämlich Alpträume und die Firma Pfiser weist auch auf diese Nebenwirkungen hin. Das Medikament kann zum Wiedererleben früherer Gefühlszustände, zu Halluzinationen, Angstzuständen und zur Desorientierung führen. Damit sich nicht kleine graue Männchen mit Spitzhacken auf der Brust des Patienten austoben, wird vor Gabe des Ketansest S noch Midazolam gegeben. Dann bleiben die unerwünschten Nebenwirkungen aus.
Der klinische Fall mit TIVA
Wir befinden uns im OP der Frauenklinik. Gerade geht eine Unterleibsoperation zu Ende. Die Propofol-Infusion habe ich abgeschaltet. Ich spontanisiere meine Patientin bei der gerade eine blonde Locke unter der OP-Haube hervorgerutscht ist. Spontanisieren bedeutet, dass sie nicht mehr durch das Beatmungsgerät beatmet wird, sondern, dass sie spontan wieder anfängt selber zu atmen. Der operierende gynäkologische Oberarzt sagt wieder mal seinen, und vor allem meinen Lieblingsspruch: „Und das Beste an der Operation war wieder mal die Narkose.“ Ich lächele zufrieden. In diesem Moment schlägt unsere Patientin die Augen auf und sagt: „Sonst werde ich immer wachgeküsst.“
Der klinische Fall mit Narkosegas
„So, jetzt fliegen wir mal zusammen in den Urlaub“, sage ich, während ich meiner Patientin die Maske mit dem Lachgas vor die Nase halte. Mein Anästhesiepfleger spritzt langsam das Einschlafmittel. „Wo soll es denn hingehen?“ fahre ich fort. „In die Karibik“, erwiderte die sonnengebräunte Dame „und Sie dürfen auch mit.“ „Oh, schön“, freue ich mich. „Haben Sie einen Mann?“, fährt sie fort. „Ja, hab´ ich.“ „Der darf auch mit. Ihrs zahle ich, doch seins muss er selber zahlen“, sind ihre letzten Worte. Dann ist sie bewusstlos. Die Suggestibilität ist auch beim Narkosegas beachtlich. Als ich meine Karibikreisende am Abend an ihrem Bett besuche, kann sie sich an nichts mehr erinnern.
Weshalb Sie mit der Propofol-Narkose gut beraten sind
Patienten mit Soja- oder Erdnussallergie müssen leider auf Propofol verzichten, denn das Medikament wird auf Sojabasis hergestellt. Das ist schade, weil Übelkeit und Erbrechen nach der Propofol-Narkose sehr selten auftreten. Gasnarkosen können diese Nebenwirkungen oftmals nach sich ziehen. Diese müssen dann mit Antiemetika medikamentös behandelt werden. Bei uns an der Klinik gab es eine PONV-Tafel. PONV steht für Post Operative Nausea and Vomiting. Wer einmal nach einer Narkose unter Übelkeit und Erbrechen gelitten hat, sollte auf jeden Fall mit seinem Anästhesisten die Anwendung der Propofol-Narkose in Betracht ziehen. Eine Erotikgarantie gibt es allerdings nicht.
Quellen:
- https://www.ratiopharm.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=73709&g=-1&r=1894%2C1894&token=f727a4d130b2802b5e9ee03d9381563e235f9eed (aufgerufen am 14.07.2022)
- https://www.pfizer.de/sites/default/files/FI-1435.pdf (aufgerufen am 14.07.2022)
Urhebender Autor: Dr. Claudia Bignion
In ihrem schriftstellerischen Wirken vereint Dr. Claudia Bignion ihre langjährige Erfahrung in der Anästhesie und Notfallmedizin mit dem pädagogischen Wissen aus ihrer Tätigkeit als Oberstudienrätin. Seit 2018 legt Dr. Bignion ihren Fokus auf das zukunftsorientierte Fachgebiet der Stressmedizin. Besondere Begeisterung für ihre ärztliche Tätigkeit empfindet sie durch kleine medizinische Maßnahmen, die eine große Wirkung erzielen, manchmal sogar Leben retten.