Sauerstoff – Wenn die Lunge nach Luft hungert

Wie kritisch die Sauerstoffversorgung des Körpers ist, bemerkt vor allem der Asthmatiker im Luftnotanfall. Können Erstickungsnot und Todesangst vermieden werden?

Es klopft an die Seitentür meines Notarztwagens. Draußen im Dunkeln steht mein niedergelassener Kollege in seinem weißen Sweatshirt und seinem buntem Öko-Schal. Es regnet. „Was will der denn jetzt hier“, denke ich genervt, während mein Rettungsassistent das EKG beim Patienten anschließt. „Ich möchte noch meine Sauerstoffflasche zurück haben“, höre ich fordernd. Okay, ich nehme die Sauerstoffmaske vom Gesicht meines Patienten, packe die Flasche, gebe sie dem Kollegen, drehe mich wieder um und mein Asthmatiker ist in diesem Moment bewusstlos geworden.

Die Verwirrung des Immunsystems

Die Sterblichkeit bei Asthma liegt in Mitteleuropa bei 1 – 8 Menschen von 100.000 Einwohnern. In Deutschland sind rund acht Millionen Menschen, vor allem Kinder, betroffen. Zuletzt ermittelte Daten aus dem Weißbuch Lunge 2014 zeigen, dass der Schweregrad und die Häufigkeit der Lungenerkrankung seit den 70er Jahren zugenommen hat. Wenn auch genetische Faktoren maßgeblich sind, so beobachten Lungenärzte zwei paradoxe Trends. Erstens die Unterforderung des Immunsystems durch die Zunahme der hygienischen Bedingungen im Wohnumfeld. Zweitens eine Überforderung des Immunsystems durch zunehmende Reisehäufigkeit mit fremdartigem Virusstammkontakt.

Der klinische Fall – die Fortsetzung

„Na dann gib mir mal ein Laryngoskop und einen achter Tubus“, sage ich gelassen zu meinem Assistenten. In unserem eingespielten Team geht das so flott, dass ich auf eine Zwischenbeatmung mit der Maske verzichten kann. Schon können wir unseren Patienten an die Beatmungsmaschine anschließen. Bei der Behandlung achte ich auf drei Maßnahmen. Gegen den Bronchiospasmus gebe ich ein bronchienerweiterndes Medikament über den venösen Zugang. Außerdem so viel Flüssigkeit wie das Herz vertragen kann, um den Bronchialschleim zu lösen. Auf intravenöses Cortison gegen die Schleimhautschwellung verzichte ich heute, weil der Patient schon sehr viel Asthma-Spray verwendet hatte.

Erste Hilfe beim Asthmaanfall

Erstickungsanfälle könnten besser vermieden werden, wenn Patienten den Schweregrad ihrer Erkrankung nicht unterschätzen würden. Oftmals befolgen sie aus Nachlässigkeit die Behandlungsanweisungen ihres Arztes nicht. Der Laie sollte zur Sicherheit lieber einmal zu oft den Notarzt rufen, wenn das Cortison-Spray versagt. Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte sind folgende Maßnahmen sinnvoll: Ruhe bewahren, beengende Kleidung öffnen, für Frischluft sorgen, den Patienten nach vorne übergebeugt sitzen lassen, so dass die Atemhilfsmuskulatur durch Abstützen auf den Oberschenkeln eingesetzt werden kann und den Patienten mental beim langsamen Ausatmen unterstützen.

1 Lungenärzte im Netz, Link: https://www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/asthma-bronchiale/haeufigkeit/ (aufgerufen am 01.04.2022)

2 Ebenda.