Kolumne

Phokaia und Athen: Den Krieg kommen sehen

Menschen reagieren unterschiedlich auf Bedrohungen wie Katastrophen und Krieg. Während die einen vorsorgen, stecken andere bis zuletzt den Kopf in den Sand, um anschließend in Panik zu verfallen. Das war schon im antiken Phokaia und Athen so.

Seit dem 24. Februar 2022 hat sich die Welt durch den russischen Krieg mit der Ukraine dramatisch verändert. Sogar von einer Zeitenwende ist die Rede. Seither prägen unzählige Militär- und Sicherheitsexperten die Berichterstattung. Schnell wurde der Vorwurf erhoben, insbesondere Deutschland habe sich zu wenig auf eine militärische Bedrohung durch ein mögliches Überschwappen des Ukaine-Kriegs auf das Nato-Gebiet vorbereitet. Und ebenso schnell wurden angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine Milliardenbeträge für die künftige Aufrüstung bereitgestellt.

Krieg gegen Kleinasien: Der persische Angriff

ansicht der befestigungsmauer von phokaia 300x169 - Phokaia und Athen: Den Krieg kommen sehen

Ansicht der Befestigungsmauer von Phokaia, © O. Hülden

Ein Verhalten, wie es Deutschland, aber auch andere europäische Staaten im aktuellen Krieg gegen die Ukraine an den Tag gelegt haben, begegnet in der Geschichte häufiger, auch in der Antike. So erstarkte um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. das Reich der Perser im heutigen Iran, und der persische König Kyros begann, es durch Eroberungen nach Westen auszudehnen. Ein Opfer dieser Aggression war das in Kleinasien, der modernen Türkei, gelegene Lyderreich unter seinem legendären König Krösus.

Handeln erst unter Schock

An der kleinasiatischen Westküste existierten damals griechische Städte, denen der Krieg Persiens mit ihren lydischen Nachbarn natürlich nicht verborgen geblieben war. Ihre Reaktion darauf fiel allerdings unterschiedlich aus. Nur einige der Städte – so legt es jedenfalls die Auswertung der archäologischen und schriftlichen Quellen nahe – scheinen nämlich Befestigungsmauern besessen zu haben. Die Übrigen sollen hingegen erst unter dem Eindruck des persischen Angriffs damit begonnen haben, sich in aller Eile und fast schon panikartig zu befestigen.

Das vorausschauende Phokaia

Besonders interessant ist der Fall der Griechenstadt Phokaia. Hier waren die Einwohner schon früh von einem ihrer Handelspartner, dem König von Tartessos im heutigen Spanien, vor der drohenden persischen Gefahr gewarnt worden. Mehr noch: Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet, dass der König den Phokaiern sogar das Geld für den Bau von Mauern gab. Diese sollten sie nicht nur besonders stark, sondern auch besonders schön errichten. Tatsächlich haben türkische Archäologen vor einigen Jahren in Phokaia einen Abschnitt der Befestigungsmauer freigelegt, der dieser Beschreibung entspricht.

Die Phokaier auf der Flucht

Genutzt hat den Phokaiern die Investition in ihr Mauern jedoch wenig. Zu übermächtig war das persische Massenheer, dessen Infanterie mit der Hilfe von Erdrampen die griechischen Städte angriff. So entschieden sich die Einwohner zur Flucht über das Meer und gründeten nach einer kleinen Irrfahrt im Mittelmeer zunächst das kurzlebige Alalia auf Korsika, um dann in Italien in Hyele (heute: Velia) eine neue Heimat zu finden.

Sieg trotz mangelnder Vorbereitung

Bekanntermaßen griffen die Perser nach den griechischen Städten Kleinasiens Griechenland selbst an. Auch hier begegnet uns dasselbe Phänomen: Während einige Städte vorbereitet und befestigt waren, standen andere den Persern schutzlos gegenüber. Selbst Athen scheint bis auf die Akropolis unbefestigt gewesen zu sein und fiel in persische Hand. Rettung brachten schließlich die „hölzernen Mauern“, also die Kriegsschiffe, mit denen die Athener der persischen Flotte bei der Insel Salamis die kriegsentscheidende Niederlage beibrachten. Nichtsdestotrotz bestand nach der Rückkehr in das zerstörte Athen eine der ersten Maßnahmen darin, eine große Befestigungsmauer um die Stadt zu errichten.

Quellen:

Urhebender Autor: Dr. Oliver Hülden

Teile diesen Beitrag: