
Allergischer Schock am Baggersee
Wenn der Körper mit Entzündungszeichen wie Schwellung, Rötung und Überwärmung auf eigentlich harmlose Auslöser reagiert, so wird diese überschießende Reaktion als Allergie bezeichnet. Was ist ein Allergischer Schock und wie wird er behandelt?
Der klinische Fall
Der restliche Körper, der nicht von dem bunten Kringelhemd und den grauen Badeshorts bedeckt ist, ist ebenfalls knallrot und von juckenden Quaddeln übersäht. Während mein Rettungsassistent den venösen Zugang vorbereitet, und das Kortison und ein Antihistaminikum in einer Spritze aufzieht, greife ich zum Stethoskop. „Sie haben eine leichte Spastik auf der Lunge“, informiere ich. „Davon merke ich nichts“, sagt die Patientin „aber bitte tun Sie etwas gegen das Jucken. Das halte ich nicht mehr aus.“
Die Wirkung des Insektengifts
An der Einstichstelle löst Insektengift eine Hautrötung und starkes Jucken aus. Bei 25 Prozent der Bevölkerung kommt es beim Insektenstich außerdem zu ausgedehnten Schwellungen, z. B. des kompletten Armes. Bis zu 3,5 Prozent der Gestochenen entwickeln einen durch Antikörper verursachten lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock. Dieser ist über einen schnellen Puls und starken Blutdruckabfall definiert. Die Blutgefäße weiten sich, das Blut versackt in den Körper-Kapillaren, und verschwindet dann im Gewebe. So kommt es zu starken Schwellungen. Diese können im Hals zu Schluckbeschwerden und Luftnot führen. Die Bronchialmuskulatur kann sich zusätzlich verengen, so wie beim Asthmatiker. Jährlich werden circa 20 Todesfälle in Deutschland dokumentiert.
Das Notfallset
Menschen mit bekannter Wespenallergie können sich ein Erste-Hilfe-Set mit drei Medikamenten zulegen: einer Adrenalin Fertigspritze, einer Kortison Creme und einem Fläschchen mit Antihistaminikum Tropfen. Adrenalin stabilisiert den Kreislauf, Kortison und das Antihistaminikum wirken gegen die Schwellung und den Juckreiz. Auf diesem Weg kann die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes überbrückt werden. Unsere 26-jährige Patientin war auf das allergische Geschehen völlig unvorbereitet. „So etwas ist mir noch nie passiert“, sagt sie etwas ungläubig, während sie zuschaut, wie die Infusionslösung in ihre Vene läuft. Tatsächlich ist die überraschende Erstmanifestation einer hefigen allergischen Reaktion immer ein seelisch beklemmendes und angstauslösendes Erlebnis. „Wir müssen Sie zur Überwachung ins Krankenhaus mitnehmen,“ kläre ich meine Patientin auf. Sie nickt.
Quellen:
- https://www.aerzteblatt.de/archiv/124322/Insektenstiche
- https://www.insektengiftallergie.de/der-anaphylaktische-schock/das-notfall-set/
Urhebender Autor: Dr. Claudia Bignion

In ihrem schriftstellerischen Wirken vereint Dr. Claudia Bignion ihre langjährige Erfahrung in der Anästhesie und Notfallmedizin mit dem pädagogischen Wissen aus ihrer Tätigkeit als Oberstudienrätin. Seit 2018 legt Dr. Bignion ihren Fokus auf das zukunftsorientierte Fachgebiet der Stressmedizin. Besondere Begeisterung für ihre ärztliche Tätigkeit empfindet sie durch kleine medizinische Maßnahmen, die eine große Wirkung erzielen, manchmal sogar Leben retten.