Kolumne

Motorradunfälle vermeiden, aber wie?

Mütter und Ehefrauen bangen. In den Köpfen der Angehörigen von Motoradfahrern spielen sich oftmals Horrorszenarien von Verkehrsunfällen ab. Ist das wirklich berechtigt?

Und hier kommt gleich die Antwort: Sie lautet eindeutig „Ja“. Die Unfallstatistik des Statistischen Bundesamts von 2020 belegt, dass insgesamt 130 488 Kraftrad- und Fahrradfahrer verunglückten und davon 978 zu Tode kamen. Davon waren 828 Männer und 150 Frauen. Wer sich im Pkw fortbewegt hat mehr Knautschzone. Bezogen auf 1 000 Pkw verunfallten drei Personen, auf 1000 Krafträder verunglückten sechs Verkehrsteilnehmer. Anfänger sind wegen mangelnder Fahrpraxis besonders gefährdet. Jeder fünfte Tote war zwischen 15 und 24 Jahre alt. Auch Senioren über 65 Jahre haben ein erhöhtes Risiko.

Die Eleganz der Superbikes

motorradunfalle vermeiden 300x169 - Motorradunfälle vermeiden, aber wie?Stellen Sie sich vor, Sie stünden am Rand des Kiesbetts unterhalb der Südtribüne. Feingetunte 1.000 ccm-Motorräder fliegen auf ihren Slics über den flimmernden Asphalt des Hockenheimrings. Die sommerliche Hitze von 39° Celsius lässt Sie aus allen Poren schwitzen. Trotzdem gehen Sie bei jeder Bewegung der Maschinen mit, die sich sanft in die Kurven neigenden und dann wieder aufrichten. Sie fragen sich, wie viele Millimeter unterhalb des Innenknies des Fahrers noch Platz ist, bevor es den Boden berührt. In diesem Moment legt sich ein Motorrad auf die Seite und schlittert fast direkt auf Sie zu. Hinrennen und helfen ist verboten. Dafür sperren mein Team und ich unsere Ohren auf und warten brav, bis über Funk der Einsatzbefehl der Rennleitung kommt. Ich hatte meine Weste mit dem NOTARZT Schild ausgezogen, um nicht schon vor einem möglichen Einsatz einem Hitzschlag zu erliegen. Dann ertönt die Durchsage: „Ihr könnt jetzt zum Patienten, das Rennen läuft aber weiter.“ Wir quälen uns in Zeitlupe 10 Meter weit über das Kiesbett. Ich spreche den Rennfahrer an und erkläre ihm, dass wir nun seinen Helm abnehmen. Darunter kommen seine klatschnassen schwarzen Haare zum Vorschein. Er beginnt jetzt unter seiner Lederkombi noch mehr zu schwitzen. „Tut dir was weh?“ „Nein, ich bin nur verwirrt“, sagt er etwas desorientiert. Ich führe einen groben Bodycheck durch und bin erleichtert, dass er sich auf den ersten Blick keine schweren Verletzungen zugezogen hat. „Wir bringen dich jetzt ins Medical Center und schauen dich dort genauer an.“

Beherrschen Sie Ihr Motorrad oder beherrscht Ihr Motorrad Sie?

Routine, eine realistische Selbsteinschätzung und Sicherheitsgefühl, sind wichtige Komponenten für Motorradfahrer, um in unfallträchtigen Situationen besonnen reagieren zu können. Richtiges Sitzen, die Verfeinerung des Balancegefühls und das Abschätzen von Schräglagereserven können z. B. in Fahrsicherheitstrainings geübt werden. Diese werden für Einsteiger und Fortgeschrittene unter anderem vom ADAC angeboten. Am Sachsenring wird eine Kombination von Fahrsicherheitstraining und freiem Fahren auf der Rennstrecke ermöglicht. Grundsätzlich sind zum Körperschutz natürlich ein guter Helm und die richtige Motorradbekleidung auszuwählen. Apropos Kleidung: Für mich gab es an diesem Tag eine dicke Rüge von der Rennleitung: „Wo war deine Notarztweste?“ „Wofür brauche ich die denn bei der Hitze? Es kennen mich hier doch alle.“ „Ja, aber das Fernsehen kennt dich nicht. Jetzt haben die gedacht wir hätten keinen Notarzt vor Ort gehabt.“

Quellen:

Urhebender Autor: Dr. Claudia Bignion

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