Geschichte

6 wichtige Erfindungen des 19. Jahrhundert, die bis heute bestehen

Das 19. Jahrhundert als das zentrale Jahrhundert der Industrialisierung und des Aufblühens der Wissenschaften nach modernem Verständnis legte die Grundlage für eine gigantische Reihe von Erfindungen, deren Ausprägungen bis in die heutige Zeit nachwirken. Allerdings muss man hier unterscheiden. Denn viele damalige Erfindungen legten nur Grundsteine, stießen weitere Entwicklungen und Folgeentwicklungen an und sind deshalb längst aus unserem Alltag verschwunden – selbst wenn beispielsweise die Lochkarte der Urvater aller modernen Computer ist, so geschahen seitdem doch zu viele Entwicklungsschritte, um die Karte heute noch als Einfluss zu erkennen. Dann allerdings gibt es auch eine illustre Gruppe von Erfindungen, die zwar ebenfalls in den 1800ern gemacht wurden, sich aber bis heute halten konnten und oft sogar weiterhin dominieren – meist mit wenig mehr als einigen Detailverbesserungen und Prozessoptimierungen. Sechs besonders prominente Beispiele für solche Erfindungen stellen wir Ihnen jetzt vor.

Das generelle elektrische System

Elektrizität gab es schon vor dem 19. Jahrhundert, da sie natürlich ein ganz grundlegendes physikalisches Phänomen ist. Wenn Sie allerdings heute zuhause

  • Wechselstrom,
  • mit 230 Volt,
  • in einer Frequenz von 50 Hertz

anliegen haben, dann ist das ein direktes Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert. Die damals erfolgende Elektrifizierung stützte sich maßgeblich auf den Streit nach Gleich- oder Wechselstrom sowie länderabhängige Unterschiede in der Netzspannung sowie dessen Frequenz – aus diesem Grund nutzen die USA beispielsweise nach wie vor ein 110-Volt, 60-Hertz Netz. Sogar die Tatsache, dass es bis heute noch kein weltweit einheitliches System von Netzsteckern gibt, Sie also immer noch Reisestecker benötigen, lässt sich direkt auf diese Entwicklung zurückführen. Tatsache ist überdies, dass nach wie vor jedes einzelne Kraftwerk auf denjenigen technologischen Grundsätzen aufbaut, die mit den ersten Elektrokraftwerken der damaligen Zeit Einzug hielten. Es geht immer darum, einen Rotor um mehrere Magneten so drehen zu lassen, dass er dadurch Elektrizität produziert – übrigens ist auch dies eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts: 1831 erfand der britische Physiker Michael Faraday den Dynamo.

Die Patrone mit rauchlosem Pulver

Polizisten nutzen sie, Jäger, Militärs und selbst die Olympioniken könnten ohne sie nichts machen. Die Rede ist von der typischen Metallpatrone für Gewehre, Schrotflinten und Kurzwaffen. Auch an ihr hat sich seit den Tagen des 19. Jahrhunderts fast gar nichts verändert. Nach wie vor besteht die Patronenhülse fast immer aus Messing (der Wärmeleitfähigkeit wegen), das Zündhütchen ist mit einem schlagempfindlichen Sprengstoff gefüllt und hinter dem Geschoss ist die Hülse mit einem rauchlosen Pulver aus Cellulosenitrat gefüllt. Bis weit ins 19. Jahrhundert wurden Waffen zuvor nicht nur mit dem viel stärker rauchenden und leistungsschwächeren Schwarzpulver betrieben. Es war außerdem nötig, Geschoss und Treibladung getrennt zu laden. Allerdings verlief die Entwicklung der modernen Patrone dreigeteilt:

  • Ab den 1830er Jahren setzte sich das maßgeblich vom US-Amerikaner Alexander Forsyth ersonnene Zündhütchen anstelle des zuvor verwendeten (modernsten) Zündmechanismus auf Basis von Schießpulver und Feuerstein
  • Mitte der 1800er wurden mitverbrennende Papierpatronen sowie solche aus Metall allmählich praxistauglich. Letztere setzten sich wegen der überlegenen Robustheit und Verbesserungen in industrieller Metallverarbeitung rasch durch.
  • 1882 entwickelte der Franzose Paul Vieille und 1884 der Deutsche Max Duttenhofer jeweils ein eigenes Pulver auf Basis der Nitrocellulose.

1886 schließlich führte die französische Armee als weltweit erste Truppe eine all diese Erfindungen zusammenfassende metallene Gewehrpatrone ein und löste damit ein Wettrüsten aus. Nur zehn Jahre später waren alle relevanten Armeen der Welt so ausgerüstet.

Die Zündkerze mit Magnetzündung

Im 19. Jahrhundert wurden alle relevanten Motortechniken erfunden, die bis heute Bestand haben – angefangen bei den unterschiedlich aufgebauten Otto- und Dieselmotoren sowie den beiden Arbeitsprinzipien des Zwei- und Viertaktmotors. Allerdings hat von allen diesbezüglichen Erfindungen wahrscheinlich die Zündkerze mitsamt Magnetzündung die wenigsten fundamentalen Änderungen durchlaufen. Und ohne sie würde nicht nur kein Ottomotor funktionieren, sondern auch kein Düsentriebwerk und artverwandte Motoren. Zwar ist die Zündkerze fraglos eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, sie lässt sich jedoch keiner einzelnen Person zuordnen:

  • Étienne Lenoir, 1860,
  • Paul Winand, 1887,
  • Nikola Tesla, 1898,
  • Frederick Simms, 1898,
  • Robert Bosch, 1898.

Jeder dieser fünf Männer erhielt ein Patent, das eine irgendwie geartete Zündkerze beinhaltete. Dafür aber gibt es einen Erfinder, der für erste nachgewiesene Nutzung der dahinterstehenden Hochspannungs-Magnetzündung verantwortlich ist: der Deutsche Ludwig Rüb anno 1895.

Die Konservendose

Gehören auch Sie zu denjenigen, die, wenn schon nicht bei Fertiggerichten, dann doch zumindest bei Zutaten wie etwa Mais oder Bohnen gerne zu Konservendosen greifen? Dann kaufen Sie ein Produkt, das zu den größten Revolutionen in der Geschichte der Ernährungswissenschaft gehört – und das sich seit dem 19. Jahrhundert kaum verändert hat und obendrein direkt auf Napoleon zurückgeht. Napoleon stand, wie alle Heerführer vor ihm, vor dem großen Problem, dass es nötig war, dass sich seine Truppen „aus dem Land ernähren“ mussten, so wie es seit Jahrtausenden üblich war. Das jedoch beschwor zahlreiche Probleme herauf, etwa solche mit der Zivilbevölkerung, aber auch vollkommen unberechenbaren Lebensmittelquantitäten. 1795 lobte er deshalb die gigantische Summe von 12.000 Goldfranc für denjenigen aus, der eine Technik erfand, die Lebensmittel über Monate hinweg ohne untragbare Beeinträchtigung haltbar machte. Der Preis ging an den Pariser Bäcker Nicolas Appert. Er erfand sozusagen das Einkochen, allerdings in Gläsern, wie es ebenfalls bis heute betrieben wird. Für dieses Kapitel ist jedoch der Brite Peter Durand wichtiger. Er kannte zwar das Einkochen, erkannte aber ebenso richtig, dass Gläser für den militärischen Einsatz zu empfindlich waren. 1810 bekam der Kaufmann ein Patent auf Blechbehälter, bei denen der Befüllungs- und Erhitzungsprozess ganz ähnlich wie bei Nicolas Appert ablief. Doch erst, nachdem er sein Patent zwei Jahre später an seine Landsleute Bryan Donkin und John Hall verkaufte, begann eine industrielle Konservendosenherstellung. Der einzige Unterschied zur modernen Dose? Damalige Exemplare waren innen nicht ausgekleidet und wurden mit einer Zinn-Blei-Mischung zugelötet. Fun-Fact: Erst 1870 wurde der Dosenöffner erfunden. Bis dahin war es nötig, allerlei andere Werkzeuge zu zweckentfremden.

Der Portlandzement

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stock.adobe.com © wladimir1804

Zement gehört ebenfalls zu denjenigen Erfindungen, die die Menschheit schon lange vor dem 19. Jahrhundert begleiteten. Aber was modernen Zement anbelangt, wie er für die Herstellung von Mörtel und Beton heute allein in Deutschland mit ungefähr 30 Millionen Tonnen jährlich verbraucht wird, ist das 19. Jahrhundert unsagbar wichtig. Zur Erklärung: Zement ist nur ein Oberbegriff für eine Reihe von Stoffen, die nach Zugabe von Wasser einen hydraulischen Bindeprozess starten und dadurch aushärten. Hierzu müssen Sie wissen, dass man bis ins 19. Jahrhundert vornehmlich auf sogenannten Romanzement setzte – basierend auf natürlichem (Wasser)Kalk. Im 19. Jahrhundert geschahen jedoch zwei Erfindungen, die buchstäblich die Welt bewegten:

  • 1824 bekam der Brite Joseph Aspdin das Patent auf einem von ihm so bezeichneten Portlandzement – auch heute noch die Bezeichnung, wenngleich Aspdins Erfindung mehr mit künstlich hergestelltem Romanzement gemeinsam hatte als mit modernem Portlandzement.
  • 1844 erfand der britische Chemiker und Industrielle Isaac Johnson den Klinker – gesinterter Kalkstein und Mergel.

Seit dieser Zeit ist Portlandzement genau das: Fein zermahlender Klinker und Kalk vermischt. Zwar hat sich die Produktion seitdem deutlich modernisiert, aber sämtliche Vorgänge geschehen noch genau so wie ab Mitte des 19. Jahrhunderts.

Das Vulkanisieren

Gäbe es das Vulkanisieren nicht, dann würden auf einen Schlag eine Menge Produkte um Sie herum verschwinden – und garantiert käme kein einziges Elektrofahrzeug so komfortabel vom Fleck, wie man es gewohnt ist. Denn Vulkanisieren ist die wichtigste Methode, um Produkte herzustellen, die landläufig als Gummi bezeichnet werden – allem voran Fahrzeugreifen in sämtlichen Ausprägungen. Reifen sind auch das Stichwort dieses Produkts, denn hiervon kennen Sie vielleicht den Markennamen Goodyear. Hinter diesem bis heute operierenden Großkonzern und dem Verfahren, um das es hier geht, steht der US-Chemiker Charles Goodyear. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war der einzige bekannte „weiche“ Stoff Naturkautschuk. Bloß ist dieses Produkt im Rohzustand kaum elastisch; es ähnelt in seiner Konsistenz eher einem typischen Kaugummi. Außerdem nutzt sich unbehandelter Kautschuk extrem schnell ab und wird schon bei moderater Erwärmung klebrig und zieht Fäden. Anfang der 1800er jedoch, mit einer enorm aufblühenden Industrialisierung, entstand immer häufiger der Bedarf nach einem elastischen, langhaltenden Material. Da damals die Chemie allerdings noch in den Kinderschuhen steckte, war an echte Kunststoffe noch lange nicht zu denken – diese sind weitgehend eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Dementsprechend lag es nahe, mit den damaligen Mitteln bei Naturkautschuk zu beginnen und zu experimentieren. Das tat Charles Goodyear. Er mischte Naturkautschuk mit Schwefel – der Legende nach fiel ihm eine solche Mixtur in eine heiße Pfanne, wo Mister Goodyear verwundert sah, dass der Kautschuk sich nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, zu einer breiigen Masse verteilte, sondern recht feste blieb. Zwar wurde bis heute das Verfahren der Vulkanisation verfeinert, dennoch wird die Schwefelvulkanisation bis heute so betrieben: Kautschuk und Schwefel beziehungsweise schwefelhaltige Stoffe werden vermengt und auf 120 bis 160°C erhitzt. Dabei werden die Moleküle im Kautschuk aufgebrochen und durch Schwefel ersetzt, die Mischung wird robuster und elastisch.

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