Technik

Digitalisierung der Arbeitswelt: Mehr Sicherheit oder mehr Risiko?

Kaum ein Beruf kommt heute noch ohne einen gewissen digitalen Anteil aus. Einige Jobs bewegen sich sogar in Branchen, die es ohne Digitalisierung gar nicht gäbe. Angesichts dieser umfassend veränderten Arbeitswelt voller Neuerungen im Verlauf der jüngsten 20, 30 Jahre stellt sich die Frage: Wie hat sich das Digitale auf den Themenkomplex Sicherheit in Unternehmen und bei der Arbeit ausgewirkt?

Denn, so viel sei Ihnen bereits verraten, die Antwort auf diese Frage ist durchaus vielschichtig und kennt sowohl Licht- als auch Schattenseiten.

Das spricht für eine erhöhte Sicherheit

Wenn ein Waldarbeiter heutzutage Bäume fernab seiner restlichen Crew fällt, dann hängt an seinem Harnisch neben diversen Werkzeugen und Hilfsmitteln unter anderem verschiedene Elektronik. Ihr Job: In Notfällen Hilfe rufen und den Standort übermitteln. Teils funktioniert das sogar vollautomatisch – das Gerät registriert, ob der Träger sich bewegt und aufrecht steht. Ist beides nicht der Fall, kann es selbsttätig ein Warnsignal absetzen.

Ohne Digitaltechnik wären solche Systeme, die sich bereits unzählige Male bewährten, weitgehend undenkbar. Allerdings sind derartige Totmannsysteme lediglich ein Beispiel dafür, warum Digitaltechnik die Arbeitssicherheit verbessert. Das wird nicht zuletzt dann besonders klar, wenn Sie nicht nur auf einzelne Mitarbeiter schauen, sondern das große Ganze.

  • Komplexe Simulationen und Modellberechnungen

Um Ihnen diesen ersten Punkt zu erläutern, genügt es für den Anfang schon, die seit Jahrzehnten ganz erheblich gestiegene aktive und speziell passive Sicherheit von Fahrzeugen zu betrachten. Denn der primär relevante Grund dafür ist die gestiegene Leistungsfähigkeit von Hard- und Software.

Diese digitalen Systeme gestatten zwei wichtige Dinge:

  1. Die Karosserie eines PKW exakt so zu berechnen, dass mit einem bestimmten Materialeinsatz (etwa die Blechdicke) eine maximale Verformung bei einem Unfall erzielt wird. Das wiederum wandelt die Auftreffenergie um, bevor sie die Fahrgastzelle und deren Insassen erreicht.
  2. Digitale Simulationen derartiger Geometrien, um beispielsweise die bei einer bestimmten Karosserieformgebung bestmögliche Herangehensweise für eine crashsichere Unterkonstruktion zu ermitteln.

Eine ganz ähnliche Herangehensweise finden Sie an zahlreichen Stellen in der Arbeitswelt. Ganz gleich ob Bedienungsabläufe an einer Maschine oder ergonomische Auslegung von Großraumbüros. Stets ermöglicht Digitaltechnik es,

  1. verschiedene, teils hochkomplex miteinander interagierende Parameter zu erfassen und
  2. basierend darauf realitätsnah zu simulieren, wie sich etwas „in echt“ verhalten wird.

Das ermöglicht nicht nur eine insgesamt höhere Sicherheit, weil es beispielsweise nach menschlichen Maßstäben eher unwahrscheinliche Szenarien einbeziehen kann. Es senkt zudem Entwicklungs- und ähnliche Kosten massiv. Denn ein Großteil aller Tests können ebenso auf digitaler Ebene erfolgen.

Wenn beispielsweise bei einem demnächst auf den Markt kommenden LKW ein besonders sicheres Führerhaus im „scharfen“ Crashtest erprobt wird, dann dürfen Sie sicher sein: Diesem Test gingen unzählige rein digitale Crashtests voraus. Was damit im Vergleich zu vielen „scharfen“ Tests aller Einzelteile an Kosten gespart wurde, versteht sich wohl von selbst.

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  • Überall abrufbare Detailinformationen

Die neue EU-Maschinenverordnung enthält zahlreiche Änderungen und Ergänzungen. Im Sinne dieses Artikels ist ein Passus des Gesetzeswerks jedoch besonders relevant: Die Erlaubnis, Betriebs- und Bedienungsanleitungen nunmehr in digitaler Form zur Verfügung zu stellen.

Das ist deshalb so wichtig, weil die Ersteller der Verordnung eines ganz richtig erkannten: Digitale Informationen können ungleich vielfältiger und niedrigschwelliger und dadurch breiter verfügbar sein als sämtliche analogen Alternativen.

Stellen Sie sich die Betriebsanleitung einer komplexen Industriemaschine vor. Ein mehrere Hundert Seiten umfassendes Werk in einem Aktenordner.

  • Bereits im Neuzustand ist der Ordner nur dort verfügbar, wo er gerade liegt.
  • Die Sprache des Dokuments ist festgelegt.
  • Es gibt keine Möglichkeit, nur nach bestimmten Begriffen bzw. Stichworten zu suchen.
  • Änderungen müssen sehr akribisch eingepflegt werden. Gleichzeitig ist es dabei nötig, veraltete Informationen zu entfernen.
  • Durch die Benutzung und eventuell Arbeitsumgebung besteht immer die Gefahr für Verschmutzung oder Beschädigung der Seiten.
  • Das Werk kann niemals sinnvoll mehreren Personen gleichzeitig zur Verfügung stehen. Jedenfalls nicht, ohne mehrere Ausfertigungen zu erstellen.

All diese Aspekte werden durch eine digitale Anweisung zum Besseren verkehrt. Jeder Mitarbeiter kann die Anleitung von überall mit einem entsprechenden Endgerät einsehen. Änderungen lassen sich nahtlos einpflegen. Nicht zuletzt ist die mediale Darstellung nicht nur auf Schrift und Bild beschränkt. So könnten beispielsweise komplexere Prozesse durch in das digitale Dokument eingebettete Clips im Bewegtbild erläutert werden.

Für die Sicherheit im Umgang mit der Maschine ist dies alles eine ausschließliche Verbesserung. Zumal es dann immer noch die Option gibt, die Datei auszudrucken und somit analog zur Verfügung zu stellen – mitunter durch eine KI wirklich „sinngemäß“ in andere Sprachen übersetzt und somit nahtlos von Menschen zu verstehen, welche die Sprache der Originalversion nicht beherrschen.

Naturgemäß ist diese Betriebsanleitung nur ein Beispiel für vieles. So enthalten etwa viele automatisierte Defibrillatoren in Betrieben einen Bildschirm, auf dem Sie selbst als völliger medizinischer Laie erkennen können, wo Sie die Elektroden fachgerecht befestigen müssen. In eine ähnliche Richtung gehen Ersthilfe-Apps, die ebenfalls Schritt für Schritt teils sehr komplexe Maßnahmen laiengerecht aufbereiten können.

  • Virtuelle und allgemein vereinfachte Trainings

Allein zum Themenkomplex Arbeitsunfallschutz und Betriebssicherheit existieren zahlreiche Unterweisungspflichten. Ihr grundsätzlicher Zweck ist es, Gefahren, die durch Unwissen entstehen können, möglichst vollständig auszuschließen. Hinzu kommen noch andere Schulungen, die etwa direkt durch Hersteller durchgeführt werden, um Bediener und betriebliches Wartungspersonal über eine neue Maschine zu unterweisen.

Fest steht daher: Trainings sind vorgeschrieben und erwiesenermaßen sehr wichtig für mehr Arbeitsschutz. Bloß sind klassische Vorgehensweisen mit Präsenz, Whiteboard, Arbeitsblattmappe und Co. nicht unbedingt das Optimum. Hier sei Ihnen beispielhaft gezeigt, wie Digitalisierung einfach besser wirken kann:

  • Gemeinsame Schulungen, die dennoch nicht zwingend an einem Ort stattfinden müssen.
  • Simultanübersetzungen, damit die Informationen für alle Mitarbeiter ohne Rücksicht auf sprachliche Backgrounds zugänglich werden.
  • Integration von digitalen Tests, die deutlich mehrwertiger sein können als solche auf Papier – weil sie etwa Videos beinhalten.
  • Aufzeichnungsmöglichkeiten, wodurch Abwesende die Schulung in derselben Qualität und Informationsdichte später erleben können. Ebenfalls ermöglicht die Vorgehensweise ein regelmäßiges Auffrischen des Wissens.

Je nach Ausgestaltung entfällt zudem komplett die Abhängigkeit von den didaktischen Fähigkeiten der schulenden Person. Sie ist erwiesenermaßen sonst ein wichtiger Faktor, der über gute oder schlechte Qualität eines Trainings entscheiden kann.

  • Wearables und andere Überwachungssysteme
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Komplexe Sensorik, die verschiedenste Faktoren überwachen konnte, gab es bereits vor der Digitalisierung der Arbeitswelt. Allerdings zu völlig anderen Preisen und einer insgesamt geringeren Leistungsfähigkeit. Die im Eingang dieses Kapitels genannten Totmannsysteme für Forstarbeiter etwa hätten vor einigen Jahrzehnten zumindest Rucksackformat samt entsprechender Gewichte gehabt – und einen immensen Stromverbrauch.

Was die generelle „Überwachung“ anbelangt, hat Digitalisierung mehrere Paradigmenwechsel angestoßen:

  • Kosten
  • Konnektivität
  • Interoperabilität
  • Bedienbarkeit
  • Abmessungen
  • Gewichte
  • Leistungsfähigkeit

Das alles hat sich in einem immensen Maß verbessert. Ein Forst-Totmanngerät von heute hat die Abmessungen eines sehr kompakten Klapp-Handys. Dennoch enthält es GPS, kann über Satelliten und Mobilfunkmasten agieren und funktioniert oftmals sogar noch als Funkgerät, mit dem beispielsweise Notrufzentralen mit dem Verunfallten sprechen können.

Doch erneut ist es nötig, das Thema breiter zu betrachten: Wir sprechen beispielsweise von Systemen, die automatisiert Betriebsstunden und andere Belastungsparameter erfassen, damit Wartungsintervalle peinlich genau eingehalten werden. Oder Systeme, die sensorgestützt erfassen, wie wach ein Bediener ist.

Es gibt noch viele weitere solcher Beispiele. Stets zeigen sie, wie stark Digitalisierung durch die Möglichkeit der dauerhaften Überwachung und Verarbeitung verschiedenster Informationen insgesamt für mehr Arbeitssicherheit sorgen kann – und das im Hintergrund ohne besondere Kenntnisse.

  • Datenbasierte Entscheidungsfindung

Wie Sie vielleicht wissen, ist einer der größten Vorteile von Digitalisierung im Allgemeinen, und zuletzt Maschinenlernen bzw. KI im Besonderen, eine gigantische Menge an Daten und Informationen

  1. erfassen,
  2. durchleuchten und
  3. aus- bzw. bewerten

zu können. Und das in einem Zeitrahmen und einer Tiefe, die sich mit althergebrachten Methoden keinesfalls replizieren lässt. Das ist auf verschiedensten betrieblichen Ebenen ein enormer Vorteil – darunter auch Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

Denn je nachdem, welche Daten erhoben werden, lassen sich sehr rasch sowohl Lücken und Verbesserungspotenziale als auch positive Bestätigungen für getroffene Maßnahmen finden. Das wiederum gestattet es, betriebliche Entscheidungen basierend auf messbaren Tatsachen zu fällen.

Sämtliche Risikofaktoren, die durch eine rein menschliche Bestandsanalyse und Entscheidungsfindung auftreten können, werden hierbei minimiert – zumal viele Datenerfassungen Details erfassen und Querverbindungen ziehen können, die selbst geschulten Profis mitunter verborgen bleiben.

Egal ob ganzer Betrieb, einzelne Abteilung oder sogar ein spezifischer Mitarbeiter: Alles lässt sich auf diese Weise ungleich besser und umfassender analysieren und bewerten, um maximale Sicherheit herzustellen. 

  • Sicherheit durch Automatisierung und räumliche Entfernung

Als während der Pandemie sehr viele Menschen im Homeoffice arbeiten mussten, schlug sich diese Tatsache nicht zuletzt im Arbeitsunfallgeschehen nieder – es sank massiv um zweistellige Prozentzahlen. Kein Wunder, wer beispielsweise keinen Arbeitsweg absolvieren muss, kann keinen Wegeunfall erleiden. Jüngere Zahlen stiegen dementsprechend ebenfalls wieder an.

Nun ist Heimarbeit – oder generell Remote Work – nicht automatisch gleichbedeutend mit weniger Risiken. Schließlich kann Ihnen dann anderswo etwas passieren, statt auf der Arbeit. Dennoch können sich hierdurch erwiesenermaßen positive Effekte einstellen. Diese kombinieren sich mit anderen Vorteilen, die durch digitale Technik eine Rolle spielen:

  • Bestimmte Dinge, die bei einem Arbeitsunfall eine Rolle spielen könnten, entfallen ersatzlos. Wer etwa nicht in der Firma arbeitet, weil Digitaltechnik ihm Heimarbeit ermöglicht, der kann schlicht nicht im Büro auf der Treppe umknicken.
  • Speziell durch automatisierte Steuerungen oder Fernbedienungen werden menschliche Mitarbeiter, obwohl anwesend, bei Unfällen nicht so stark in Gefahr gebracht. Wer etwa einen Gabelstapler fernbedient, kann keine Verletzungen erleiden, wenn die Maschine aus irgendeinem Grund umkippt – obwohl er vielleicht nur wenige Meter danebensteht.
  • Digitale Technik kann das Situationsbewusstsein des Menschen stark erhöhen. Entweder generell auf dessen menschliche Sinne bezogen oder aufgrund der Umgebungsbedingungen. So können etwa digitale Noise-Cancelling-Ohrschützer ein normales Hören ermöglichen, weil störende Umgebungsgeräusche herausgefiltert werden. Oder eine 3D-Brille könnte das Bedienen einer Maschine vereinfachen, indem sie Streben und andere Bauteile, die für tote Winkel sorgen, schlicht herausfiltert.

Das spricht für ein gestiegenes Risiko

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Die zurückliegenden Punkte sprechen eine deutliche Sprache. Und, so viel sei Ihnen verraten, sie sorgen für ein insgesamt positives Gesamtergebnis pro Digitalisierung der Arbeitswelt. Allerdings darf dies nicht über die Anwesenheit einiger Schattenseiten hinwegtäuschen. Sie werden entweder durch die Digitalisierung erst hervorgerufen oder durch diese verstärkt.

  • Oft uneinheitliche Standards

Konnten Sie schon einmal eine App nicht installieren, weil sie nicht für Ihr Betriebssystem verfügbar war? Falls ja, so haben Sie eine der größten Schwierigkeiten der Digitalisierung bereits kennengelernt: Es gibt teils sehr uneinheitliche Standards. Das Problem geht weit über einzelne Programme bzw. Anwendungen hinaus.

Die Folge: Bedienkonzepte, Funktionsumfang und Ähnliches folgen nicht zwingend einer gemeinsamen Linie. Das kann insbesondere bei Gewöhnung an einen Standard Gefahren heraufbeschwören – dann, wenn ein anderes System genutzt werden muss.

Ein einfaches Beispiel dafür: Bei vielen Bediensystemen, die mit vier Pfeilen arbeiten, können die nach vorn/oben und nach hinten/unten zeigenden Pfeile in zwei unterschiedliche Richtungen arbeiten. Drückt man etwa die Taste mit dem nach vorn/oben weisenden Pfeil, kann sich ein Greifarm von Maschine A nach oben bewegen, der von Maschine B hingegen nach unten – wie bei einer Flugzeugsteuerung.

Verstärkt wird diese Herausforderung noch, weil sich die Bedienkonzepte bei vielen digitalen Systemen benutzerspezifisch programmieren lassen. Das reduziert zwar Gefahren für einzelne User, kann diese jedoch verstärken, wenn andere Bediener übernehmen.

  • Zu großes Verlassen auf Technologie

Seit den 2000er Jahren kommt es weltweit zu einer Häufung von LKW-Unfällen an Brücken, Unterführungen und anderen Durchfahrten. Die „doppelte Ursache“ lässt sich direkt mit ausbreitender Digitalisierung in Verbindung bringen:

  • Es werden Navigationssysteme benutzt, die software-seitig für die geringere Höhe von PKW konzipiert wurden. Dadurch errechnen sie Routen, die eigentlich für LKW nicht befahrbar sind – etwa, weil besagte Durchfahrten zu niedrig sind.
  • Viele Fahrer vertrauen der Technik mehr als ihrer Erfahrung, ihren Instinkten oder gar ihren eigenen Augen.

Sehr viele digitale Technologien (auch abseits der Arbeit) erhöhen den Komfort, indem sie Aufgaben übernehmen. Da sie das sehr gut und seit geraumer Zeit machen, haben viele Menschen sich daran gewöhnt, Digitaltechnik tiefes Vertrauen zu schenken – leider oftmals zu tief.

In der Folge bekommt die Technik den Status einer nahezu allwissenden Autorität, die niemals hinterfragt wird. Nicht zuletzt gibt es neben zu großem Technikvertrauen noch eine weitere Risikoquelle: Indem das Digitale immer mehr Aufgaben übernimmt, schwindet die menschliche Fähigkeit, diese Aufgaben im Fall von Störungen selbsttätig durchzuführen.

  • Verschiedene Gefahren durch Cybercrime

Wo Digitaltechnik ist, da sind heutzutage Cyberkriminelle nicht weit. Zu vielfältig sind die Möglichkeiten, zu reich die potenzielle Beute, zu schwach sind oftmals Gefahren- und Sicherheitsbewusstsein ausgeprägt.

Nun liegt der Fokus der meisten dieser Kriminellen auf Geld. Weniger darauf, echten Schaden an Mensch und Material zu verursachen. Allerdings ist letzteres oftmals eine zwangsläufige Folge der Vorgehensweise. Hinzu kommen noch seltene, aber vorhandene Fälle, in denen Schaden das Primärziel ist. Etwa dort, wo es um das Ausschalten wirtschaftlicher Konkurrenten geht.

Aufgrund der meistens vorhandenen Vernetzung ist Digitaltechnik stets anfällig für Manipulationen – oftmals sogar von überall auf dem Planeten. Und allein die jüngere Vergangenheit ist voll von Beweisen dafür, dass selbst große und eigentlich digital Fähige Unternehmen nicht unangreifbar sicher sind.

Nicht zuletzt mit Blick auf Fernsteuerungen oder generell automatisierte Steuerungen, wie sie in näherer Zukunft Normalität werden, bekommt dieser Faktor ein nochmals größeres Gewicht. Dazu müssen Sie sich keine Albtraum-Szenarien wie von Hackern übernommene und absichtlich havarierte Kernkraftwerke vorstellen. Es genügt die „Übernahme“ eines einzelnen autonomen LKW, den böswillige Täter absichtlich verunfallen lassen.

  • Fehlprogrammierungen
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Die allermeisten digitalen Systeme werden von Menschen konzipiert. Zwar stehen dahinter meistens Unternehmen, die schon zum Schutz der eigenen Reputation eine engmaschige Qualitätskontrolle betreiben. Dennoch gilt hier das gleiche wie bei der Arbeitssicherheit: Kein System kann hundertprozentig sicher sein, weil der Faktor Mensch für Ausnahmen sorgen kann, die selbst das ausgefeilteste Prinzip nicht beachtet – etwa, weil sie so unwahrscheinlich erscheinen oder das Technikvertrauen zu groß ist.

Ein Beispiel hierfür entstammt den Frühtagen der Digitalisierung: In den 1980ern kam es zu einem folgeschweren Programmierfehler an einem neuentwickelten Strahlentherapiegerät. Unter anderem wurden viele zuvor technisch-mechanische Sicherheitsfunktionen auf die Software ausgelagert. In der Folge kam es zu mehreren Fällen, in denen Patienten eine tödliche Strahlendosis erhielten, weil die Software es gestattete.

Dieser sogenannte Therac-25-Skandal ging als Paradebeispiel für Programmierfehler und digitale Gefahren in die Industriegeschichte ein. Sicher ist dies ein besonders prägnanter Fall. Aber gerade deshalb zeigt er Ihnen sehr gut, welche Risiken sich durch Digitalisierung auch in der Arbeitswelt ergeben können. Speziell, wenn noch die weiter oben erwähnte zu große Technikgläubigkeit ins Spiel kommt.

  • Der Faktor Mensch aufseiten der Arbeitenden

Wahrscheinlich dürften Sie schon einmal im Zusammenhang mit Digitaltechnik geflucht haben. Etwa, weil die Technik unvermittelt abstürzte oder Ihnen Arbeitsweisen aufzwang, die Sie so nicht gewöhnt waren – oder die nicht einmal schlüssig nachzuvollziehen waren.

Abermals handelt es sich hierbei nur um ein Beispiel. Allerdings weiß die Forschung längst, in welchem Maß derartige „digitale Mängel“ Stress erzeugen können. Stress wiederum kann sich sowohl kurz- als auch langfristig negativ auf die eigene Gesundheit sowie wie Arbeitssicherheit auswirken. Etwa, weil eine gestresste Person gezwungen ist, mehr Tempo vorzulegen, was wiederum Risiken heraufbeschwören kann.

Allerdings gibt es noch mehr Herausforderungen, denen das Zusammenspiel von Mensch und Maschine unterliegt:

  • Digitale Technik, und hier insbesondere KI und Robotik, erzeugt bei vielen menschlichen Mitarbeitern negative Emotionen. Speziell Gefühle von Konkurrenzdruck – das reduziert die Arbeitszufriedenheit.
  • Digitale Kommunikation, wie sie in der Remote Work zwangsläufig genutzt wird, sorgt oftmals für Einsamkeit und ähnliche psychische Belastungen.
  • Als Gegenstück zu übergroßer Technikgläubigkeit gibt es Mitarbeiter, die allem, was digital ist, bestenfalls zögerlich gegenübertreten; mitunter sogar mit ablehnendem Unglauben.

Die Schwierigkeit hieran: Hierbei handelt es sich weitgehend um persönliche Emotionen. Es gibt demnach kein universell gültiges Patentrezept, um diese Risiken gänzlich abzustellen.

Experten votieren deshalb für ein von maximaler Transparenz begleitetes „Need to“-Prinzip. Das bedeutet, digitale Technik nur nach sorgfältiger Planung und Abschätzung einsetzen, bei Systemen auf die Leistungsfähigkeit schauen, weniger den Preis. Und vor allem Mitarbeiter immer wieder informieren und für ihre Sorgen offen sein – nicht, um sie bloß zu zerstreuen, sondern um die darin enthaltenen Informationen zur Überprüfung und Verbesserung zu nutzen.

 Zusammengefasst

Unter dem Strich betrachtet hat die Digitalisierung der Arbeitswelt in vielen Bereichen für ein stark verringertes Gefahrenpotenzial gesorgt. Entweder, weil bisherige Gefahrenherde hierdurch vollkommen abgestellt wurden oder weil die Risiken und/oder Auswirkungen der Gefahren deutlich vermindert wurden.

Doch selbst wenn die Bilanz der Digitalisierung aus Arbeitssicherheitssicht definitiv positiv ist, so ist sie dennoch nicht uneingeschränkt positiv. Daher ist es stets nötig, diesen gesamten Themenkomplex etwas differenzierter zu betrachten. Denn wie bei anderen Feldern abseits der Sicherheit überwiegt hier ebenfalls das, was jedes einzelne Unternehmen daraus macht: Sorgfältige, seriös durchgeplante Digitalisierung kann eine Menge Vorteile liefern. Übereiltes Vorgehen und falsche Sparsamkeit können dagegen das Gegenteil erzielen.

 

Beitrag verfasst von Sandro Hilsamer.

Titelbild: stock.adobe.com © Framestock

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3. Abbildung: stock.adobe.com © Александр Лобач

4. Abbildung: stock.adobe.com © Jadon B/peopleimages.com

5. Abbildung: stock.adobe.com © joyfotoliakid

 

 

 

 

 

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