
Neue Hinweise auf Gladiatorenkämpfe in England
Während der Vormarsch der römischen Armeen in England den Historikern wohlbekannt ist, steht die Frage, ob sie ihre Lebensweise vor Ort importiert haben, weiterhin im Mittelpunkt zahlreicher Forschungen. Innerhalb ihrer Lebensart blieben die Unterhaltungsangebote, insbesondere die Gladiatorenkämpfe, lange Zeit unbeantwortet. Mangels schriftlicher Informationen ist es hauptsächlich die Archäologie, die diese Frage beantworten kann. Eine weitere Analyse einer Vase, die im 19. Jahrhundert entdeckt wurde, eröffnet neue Perspektiven.
Die 1853 in England entdeckte Colchester-„Vase“, die einen Kampf zwischen zwei Gladiatoren darstellt, war bislang das einzige Objekt, das darauf hindeuten konnte, dass es an diesem Ort diese Art von Unterhaltung gab. Es gab jedoch weder Texte noch andere archäologische Funde, die etwas über die Einfuhr dieser Art von Unterhaltung an diesem Ort aussagten. Es gibt jedoch neue Hinweise darauf, dass im späten 2. Jahrhundert n. Chr. in England Kämpfe stattgefunden haben könnten.
Keramik von hoher Qualität
Das Keramikstück aus Colchester wurde im 19. Jahrhundert in einer Grabstätte entdeckt. Zu sehen sind vier Gladiatoren und ihre Künstlernamen: Secundus, Mario, Memnon und Valentinus, sowie Tiere wie ein Hund, ein Bär, ein Hase und ein Hirsch. Das Ganze repräsentiert die Art von Kämpfen oder Jagdszenen, die in der römischen Welt zu sehen waren. Die Gladiatoren, von denen jeder je nach seiner Kampfspezialität eine andere Ausrüstung besitzt, sind übrigens erkennbar. Man sieht einen Secutor, der mit einem rechteckigen Schild und einem Schwert sowie einem für seinen Status typischen Helm ausgestattet ist. Ein Retiarius ist ebenfalls zu sehen und an seinem Netz und seinem Dreizack zu erkennen. Trotz ihres Berühmtheitsstatus waren Gladiatoren in der Gesellschaft auch schlecht angesehen. Ein zwiespältiger Status in einer stark hierarchisch geprägten Gesellschaft.
A new study of the 2nd-century A.D. Colchester vase, which was unearthed in a Roman grave in southeast England in 1853 and depicts gladiatorial combat, suggests that the vessel may have been a memento of a particular bout.https://t.co/NTdBTaSOPV pic.twitter.com/KV3DkADGIU
— Archaeology Magazine (@archaeologymag) March 9, 2023
Eine „Vase“, die für Debatten sorgte
Die größte Debatte über diese Keramik ist ihre Herkunft. Seit ihrer Entdeckung wurde aufgrund der hohen Präzision der Muster und der Ausführung des Stücks lange Zeit angenommen, dass es aus Rom und nicht aus Großbritannien stammt. Da es außerdem keine Hinweise darauf gab, dass in Colchester tatsächlich Kämpfe stattgefunden hatten, wurde die Idee einer lokalen Produktion nicht in Betracht gezogen. Durch neue Analysen konnte nicht nur festgestellt werden, dass der Ton tatsächlich aus der Gegend stammte, sondern auch, dass die Namen zum Zeitpunkt der Herstellung eingeprägt wurden und nicht erst im Nachhinein, wie es zunächst angenommen worden war. Folglich wurde dieses zwischen 160 und 200 n. Chr. hergestellte Stück tatsächlich vor Ort gefertigt, was die Hypothese eröffnet, dass lokale Andenken an die Kämpfe hergestellt worden sein könnten. Obwohl in Colchester kein Amphitheater für Kämpfe für Kämpfe entdeckt wurde, hätten zwei römische Theater vor Ort für Spiele genutzt werden können.

© Douglas Atfield, Colchester Museums- Die Tonvase mit Darstellungen von Gladiatoren und Bärenjägern, die in einem römischen Grab in Colchester, Großbritannien, entdeckt wurde.
Überreste von Knochen gefunden
Abgesehen von dem ornamentalen und historischen Wert dieses besonderen Gefäßes ist es bemerkenswert, dass es in einem Begräbniskontext gefunden wurde. Der Behälter enthielt Knochen, die aus einer Einäscherung stammten. Die gründliche Analyse dieser Knochen ergab ein erstes Bild des Verstorbenen: Er war über 40 Jahre alt, kräftig und nicht aus Großbritannien stammend. Somit bleiben mehrere Fragen offen. Die erste ist, ob diese Keramik von einem Sportbegeisterten oder einer diesem Milieu nahestehenden Person als Souvenir entworfen und gekauft wurde, das später zu einem Grabbeigabe umgewandelt wurde. Oder ob dieses Objekt nur zu diesem Zweck geschaffen wurde. Sicher ist, dass der Ursprung des Objekts lokal ist, was wiederum alles in Frage stellt, was man bisher über das Objekt zu wissen glaubte.
Dieser archäologische Fall ermöglicht es uns, die Einfuhr römischer Praktiken in die entferntesten Gebiete des Römischen Reiches besser zu verstehen und, wer weiß, auch ihre Integration in lokale Kulturen, die diesen Praktiken fremd sind.
Redaktion: Futura, verfasst von Juliette Cazes.
Titelbild: © Noel Cook, Adobe Stock-Kampf der Gladiatoren.
2.Abbildung:© Douglas Atfield, Colchester Museums

Marlene ist seit 25 Jahren Fotografin und Künstlerin. Ihre Leidenschaft für Sprachen und interkulturelle Kommunikation entwickelte sie durch internationale fotojournalistische Arbeiten. Heute nutzt sie ihre weitreichende Erfahrung auch als Korrekturleserin und übersetzt journalistische Artikel vom Französischen ins Deutsche. Marlene stellt sicher, dass jeder Text seine Authentizität bewahrt und an die sprachlichen sowie kulturellen Besonderheiten des deutschsprachigen Publikums angepasst wird.

