Eine Überraschung erwartete die Wissenschaftler, die das Genom von Menschen rekonstruierten, die vor 10.000 Jahren in Südafrika gelebt hatten
Die Geschichte der Völker im Laufe der Jahrtausende lässt sich in unserer DNA ablesen. In Europa zeigt sie die Intensität der Vermischung zwischen verschiedenen Gruppen im Laufe von Bevölkerungsbewegungen. In Südafrika enthüllt jedoch eine neue Studie, dass einige indigene Völker eine genetische Signatur besitzen, die sehr nahe an der von Individuen liegt, die vor 10.000 Jahren lebten.
Ein Ort mit jahrtausendealter Geschichte
Südafrika, die angestammte Heimat des San-Volkes, ist eine Region mit einem reichen archäologischen Erbe. Zahlreiche menschliche Fossilien und Artefakte ermöglichen es, bis zu den Ursprüngen der menschlichen Linie zurückzublicken. Die ältesten Homo sapiens-Fossilien, die in der Region entdeckt wurden, sind etwa 260.000 Jahre alt. Die Rolle, die die prähistorischen südafrikanischen Völker in der menschlichen Evolution spielten, ist daher von zentraler Bedeutung. Dies wird besonders in den alten und aktuellen genetischen Archiven deutlich.
Doch die Studie des menschlichen Genoms birgt einige Überraschungen. Durch die genetische Sequenzierung mehrerer Individuen, die an der archäologischen Stätte Oakhurst Rockshelter gefunden wurden, konnte die demografische Geschichte des San-Volkes über die letzten 10.000 Jahre rekonstruiert werden. Und diese Geschichte ist durchaus überraschend.
Eine direkte genetische Verbindung zwischen den heutigen San und Individuen vor 10.000 Jahren
Die San (früher auch als Buschmänner bezeichnet) sind ein indigener Volksstamm von Jägern und Sammlern, der sich durch eine Sprache mit „Klicklauten“ auszeichnet. Ihre Wurzeln in Südafrika reichen möglicherweise bis vor 44.000 Jahren zurück. Diese lange Präsenz auf afrikanischem Boden wird durch die neue Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurde, bestätigt.
Bisher war das älteste bekannte Genom aus dieser Region etwa 2.000 Jahre alt. Doch die Sequenzierung der Genome von Individuen, die in der Oakhurst-Höhle gefunden wurden, hat diese Grenze deutlich verschoben. Zwei der dreizehn sequenzierten Individuen, ein Mann und eine Frau, lebten vor 10.000 Jahren, was sie zu den ältesten bekannten DNA-Spuren in Südafrika macht.
Diese Daten erweisen sich als erstaunlich nahe an den heutigen Genomen der San- und Khoekhoe-Völker. Dieses Ergebnis ist eine echte Überraschung, da die Forscher nicht unbedingt mit einer solch großen genetischen Stabilität über einen so langen Zeitraum gerechnet hatten.
Ein völlig anderes Muster als in Eurasien
In Europa und Asien zeigen genetische Analysen erhebliche Veränderungen in den letzten 10.000 Jahren, was auf die intensiven Bewegungen verschiedener Gruppen in dieser Zeit zurückzuführen ist. Die genetische Entwicklung spiegelt somit die Migrationsströme wider, die die dortigen Bevölkerungen beeinflussten.
Doch in Südafrika verhält es sich anders. Diese neue genetische Analyse offenbart vielmehr eine erstaunliche und lang anhaltende Stabilität, die bestätigt, dass das San-Volk seit mindestens zehntausend Jahren in dieser Region ansässig ist. Die Ergebnisse zeigen, dass die Geschichte dieses Volkes offensichtlich nicht von Wellen von Migration oder Ersetzung geprägt ist – zumindest nicht zwischen dem Beginn des Holozäns und dem Ende der Steinzeit. Diese genetische Stabilität wurde erst vor etwa 1.300 Jahren durchbrochen, als neue Gruppen aus dem Osten und Westen Afrikas in die Region kamen und unter anderem die agropastoralen Praktiken in das Jäger- und Sammler-Volk einführten. Der Niedergang des San-Volkes beschleunigte sich dann mit der Ankunft der europäischen Kolonialisten im 17. Jahrhundert.
Trotz dieser jüngeren Episode der Destabilisierung dieses indigenen Volkes scheint es, dass der San-Stamm auch heute noch eine genetische Signatur trägt, die direkt von den Individuen der Oakhurst-Höhle vor 10.000 Jahren vererbt wurde.
Autorin: Morgane Gillard
Titelbild: © lumen-digital, Adobe Stock – Genetische Untersuchungen zeigen die erstaunliche Stabilität des Genoms des San-Volkes über die letzten zehntausend Jahre.
2. Abbildung: © IAN SEWELL, WIKIMEDIA COMMONS, CC BY-SA 2.5