Autoimmunerkrankungen: Ursachen, Symptome und ihre Auswirkungen auf das Nervensystem sowie die Muskeln
Normalerweise schützt das Immunsystem den Körper vor schädlichen Eindringlingen und erhält das eigene Gewebe. Doch wenn es stattdessen beginnt, das Gegenteil zu tun, sprechen Mediziner von Autoimmunerkrankungen. In diesen Fällen betrachtet das Abwehrsystem die eigenen Zellen als Bedrohung und verursacht damit Schäden, die vor allem das Nervensystem sowie die Muskulatur betreffen. Welche Mechanismen diesen Prozessen zugrunde liegen und welche Symptome dabei auftreten, wird im Folgenden erläutert.
Ursachen von Autoimmunerkrankungen
Durch eine Vielzahl von Faktoren können Autoimmunerkrankungen ausgelöst werden. Diese Ursachen wurden bislang identifiziert:
- Genetische Veranlagung: Menschen mit familiärer Vorbelastung haben ein erhöhtes Risiko, diese Erkrankung zu entwickeln. Ihre Gene können das Immunsystem anfälliger für Fehlregulationen machen. Ein typisches Beispiel ist Multiple Sklerose (MS). Bei dieser Krankheit spielt die genetische Disposition eine wesentliche Rolle. Forschungen haben ergeben, dass das Risiko, an MS zu erkranken, in Familien mit einer entsprechenden Vorgeschichte deutlich höher ist.
- Umweltfaktoren: Äußere Einflüsse wie Infektionen oder Schadstoffe können ebenfalls das Immunsystem stören und dazu führen, dass es eigenes Gewebe angreift. Das wurde bei rheumatoide Arthritis festgestellt, bei der bestimmte Infektionen als Auslöser vermutet werden. Einige Studien weisen darauf hin, dass Virusinfektionen oder Schadstoffe wie Zigarettenrauch das Risiko für diese Erkrankung erhöhen können.
- Hormonelle Veränderungen und psychischer Stress: Hormonelle Schwankungen und psychische Belastungen können Autoimmunreaktionen fördern, insbesondere in Lebensphasen mit starken hormonellen Veränderungen. Lupus erythematodes tritt häufig bei Frauen während der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren auf, was auf hormonelle Einflüsse hinweist. Auch Stressbelastungen können den Krankheitsverlauf verschlimmern.
- Störung bei der Proteinregulation: Dabei beginnt der Körper, Antikörper gegen seine eigenen Proteine, sogenannte Autoantigene, zu bilden. Diese Entwicklung tritt bei Myasthenia gravis auf, bei der Antikörper gegen Acetylcholinrezeptoren die Muskelzellen blockieren oder zerstören. Dadurch wird die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln gestört, was Schwäche und Müdigkeit zur Folge hat. Die gute Nachricht ist, dass das Leben mit Myasthenia gravis dank moderner Therapien oft gut kontrolliert werden kann. Das liegt vor allem daran, dass Myasthenia gravis zu einer der am gründlichsten erforschten Autoimmunerkrankungen gehört.
Die genaue Ursache ist trotz all dieser Erkenntnisse oft schwer festzustellen, da eine Kombination mehrerer Faktoren vorliegen kann. Diese Komplexität macht die Diagnose und Behandlung solcher Erkrankungen zu einer besonderen Herausforderung für die Medizin.
Symptome und frühe Anzeichen
Je nachdem, welche Organe oder Gewebe betroffen sind, variieren die Symptome einer Autoimmunerkrankung stark voneinander. Besonders problematisch wird es, wenn das Nervensystem und die Muskeln involviert sind. Häufig klagen Betroffene über chronische Müdigkeit, Muskelschwäche und Taubheitsgefühle. In schwereren Fällen können Koordinationsstörungen, Zittern oder sogar Lähmungen auftreten. Ein weiteres typisches Symptom ist eine übersteigerte Erschöpfung nach geringer körperlicher Belastung.
Neben diesen allgemeinen Beschwerden können je nach betroffenem Gewebe spezifischere Symptome auftreten. Wenn das Immunsystem unter anderem Gelenke angreift, wie bei rheumatoider Arthritis, entstehen häufig Schmerzen, Schwellungen und Gelenksteifigkeit.
Wenn das zentrale Nervensystem betroffen ist, wie etwa bei der Multiplen Sklerose, können auch Sehstörungen, Sprachprobleme oder Gedächtnisstörungen auftreten. Manche Autoimmunerkrankungen greifen die Haut an und verursachen sichtbare Veränderungen wie Ausschläge oder Pigmentstörungen.
Insgesamt sind die Symptome oft diffus und schwer greifbar, was die Diagnose einer Autoimmunerkrankung zusätzlich erschwert. Typischerweise entwickelt sich die Symptomatik schleichend, und die Symptome können sich im Verlauf der Erkrankung verändern.
Auswirkungen auf das Nervensystem
Wenn die neuronalen Strukturen von einer Autoimmunerkrankung betroffen sind, kann dies weitreichende Folgen haben. Das zentrale Nervensystem (ZNS), bestehend aus Gehirn und Rückenmark, sowie das periphere Nervensystem, das die Nervenverbindungen im gesamten Körper umfasst, sind für die Steuerung und Koordination von Bewegungen und sensorischen Reizen zuständig. Ein Angriff des Immunsystems auf diese Strukturen führt zu vielfältigen Beeinträchtigungen.
Bei Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose (MS) wird die Schutzschicht der Nervenzellen, das sogenannte Myelin, zerstört. Dies führt dazu, dass die Weiterleitung von Nervenimpulsen gestört wird, was zu Koordinationsproblemen, Schwäche und chronischen Schmerzen führen kann. Das Fortschreiten der Krankheit verursacht bei den Betroffenen oft einen allmählichen Verlust motorischer Fähigkeiten.
Autoimmunbedingte Nervenentzündungen können darüber hinaus zu erheblichen sensorischen Störungen führen. Taubheitsgefühle, Kribbeln oder ein Brennen in Armen und Beinen gehören zu den häufigsten Symptomen, die die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen. Die Reflexe können ebenfalls gestört sein, was zu einem erhöhten Verletzungsrisiko im Alltag führt.
Muskelschwäche und ihre Folgen
Zu den charakteristischen Symptomen vieler Autoimmunerkrankungen gehört die Muskelschwäche. Besonders dann, wenn die Muskeln nicht mehr ausreichend von den Nerven gesteuert werden können, treten motorische Defizite auf. Die betroffenen Areale können nicht mehr effizient arbeiten, was zu einer raschen Erschöpfung führt.
Erkrankungen wie Myasthenia gravis zeigen exemplarisch, wie gravierend die Folgen für die Betroffenen sind. Schon nach kurzer körperlicher Belastung, etwa beim Treppensteigen oder Heben von Gegenständen, kann es zu einem signifikanten Kraftverlust kommen. Dies schränkt die Bewegungsfähigkeit im Alltag massiv ein. Das Sprechen oder das Atmen können ebenfalls durch die Muskelschwäche beeinträchtigt werden.
Manche Patienten leiden an entzündlichen Muskelerkrankungen, wie der Polymyositis, die ebenfalls durch eine Fehlfunktion des Immunsystems ausgelöst wird. Hier kommt es zu einer chronischen Entzündung der Muskulatur, was neben Schwäche auch Schmerzen verursacht.
Herausforderungen im Alltag und Therapieansätze
Das Leben mit einer Autoimmunerkrankung stellt die Betroffenen vor besondere Herausforderungen. Besonders wenn Muskelschwäche und Nervenschäden den Alltag erschweren, sind spezielle Maßnahmen zur Erhaltung der Lebensqualität erforderlich. Regelmäßige Bewegung, angepasst an die individuelle Belastbarkeit, ist entscheidend. Physiotherapie kann dazu beitragen, die Muskulatur zu stärken und die Beweglichkeit zu erhalten. In einigen Fällen können orthopädische Hilfsmittel helfen, die Mobilität zu unterstützen.
Die medikamentöse Behandlung zielt oft darauf ab, die Immunreaktion zu unterdrücken. Immunsuppressiva und Kortikosteroide sind häufig verwendete Medikamente, um den Angriff des Immunsystems auf den eigenen Körper zu reduzieren. Diese Therapien bergen jedoch das Risiko von Nebenwirkungen, da sie das Immunsystem allgemein schwächen und so die Anfälligkeit für Infektionen erhöhen.
Eine weitere wichtige Komponente in der Behandlung ist die psychosoziale Unterstützung. Viele Betroffene erleben durch die Einschränkungen im Alltag eine emotionale Belastung. Der Austausch mit anderen Patienten und die Begleitung durch Psychotherapeuten kann helfen, besser mit der Krankheit umzugehen.
Zukunftsaussichten für Autoimmunerkrankungen
In der Forschung zu Autoimmunerkrankungen gibt es vielversprechende, neue Ansätze. Eine der neuesten Entwicklungen ist die gezielte Immuntherapie, wie z. B. die CAR-T-Zelltherapie, die bereits in der Krebsbehandlung erfolgreich eingesetzt wird. Diese Technik wird nun angepasst, um Autoimmunreaktionen zu kontrollieren, indem sie fehlgeleitete Immunzellen spezifisch angreift und entfernt. Diese Ansätze könnten in Zukunft helfen, die Krankheitssymptome dauerhaft zu lindern oder sogar in Remission zu versetzen.
Autoimmunerkrankungen betreffen weltweit etwa 10 Prozent der Bevölkerung, wobei Frauen mit 13 Prozent häufiger betroffen sind als Männer (7 Prozent). Diese Erkrankungen umfassen eine Vielzahl von Krankheitsbildern, darunter rheumatoide Arthritis, Lupus und Multiple Sklerose. In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Diagnosen gestiegen, was auf bessere Diagnosemethoden und ein gestiegenes Bewusstsein zurückzuführen ist.
Trotz der Herausforderungen bieten neue Therapieansätze und eine zunehmende Forschung Hoffnung auf eine langfristige Besserung. Die gezielte Behandlung von Autoimmunerkrankungen könnte in den kommenden Jahren deutliche Fortschritte erzielen, besonders durch den Einsatz personalisierter Medizin und innovativer Immuntherapien.
Fazit
Menschen, bei denen diese Krankheit diagnostiziert wurde, erleben tiefgreifende Auswirkungen auf ihr Leben. Die Vielzahl an Symptomen und die Unvorhersehbarkeit des Krankheitsverlaufs stellen sowohl Patienten als auch Mediziner vor großen Herausforderungen. Dennoch gibt es heute zahlreiche Möglichkeiten, den Verlauf der Erkrankungen positiv zu beeinflussen und den Alltag trotz Einschränkungen zu meistern. Durch eine Kombination aus medikamentöser Behandlung, physiotherapeutischen Maßnahmen und einer angepassten Lebensweise lassen sich viele Beschwerden lindern.
Beitrag verfasst von Helena Bauer.
Titelbild: © Sebastian Kaulitzki- stock.adobe.com – Normalerweise schützt das Immunsystem den Körper vor schädlichen Eindringlingen und erhält das eigene Gewebe.
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